Mit dem Angriff Russlands auf die Ukraine am 24. Februar 2022 kehrte der Krieg nach Europa zurück.
Seitdem verteidigt die Ukraine nicht nur ihre eigene Sicherheit, sondern auch die Sicherheitsordnung in ganz Europa. Wir stehen eng an der Seite der Ukraine, solange sie uns braucht.
Meine Zeit als Staatsminister im Auswärtigen Amt begann direkt mit dem Thema, das Europa seitdem leider beherrscht. 10 Tage nach Aufnahme meiner Tätigkeit reiste ich im Dezember 2021 nach Kyjiw. Es standen bereits um die 100.000 Soldaten Russlands in der Nähe der ukrainischen Grenze – aber noch konnten sich die meisten von uns nicht vorstellen, dass Putin einen so wahnsinnigen Krieg gegen die Ukraine beginnen würde. Auch meine Gesprächspartner:innen in Kyjiw hielten diesen Aufmarsch im Dezember 2021 noch im Wesentlichen für eine Drohkulisse. Am 24. Februar 2022 kehrte dann der Krieg nach den Balkan-Kriegen der 1990er Jahre nach Europa zurück.
Der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine war und ist für Deutschland und Europa eine Zeitenwende. Politisch und militärisch. Die Ukraine verteidigt nicht nur ihre eigene Sicherheit, sondern auch die Sicherheitsordnung in ganz Europa; davon bin ich überzeugt. Es geht also bei unserer umfangreichen Unterstützung für die Ukraine nicht nur um unsere Solidarität mit Kyjiw, es geht auch ganz konkret um unsere eigene Sicherheit als Deutschland, als Europa und um die Verteidigung der regelbasierten Ordnung. Es wäre naiv zu glauben, dass Putin vor einem Angriff auf NATO-Territorium zurückzuschrecken würde. Bereits früher von Putin angezettelte Konflikte in Moldau und in Georgien könnte er weiter eskalieren. Auch das Auslösen größerer Migrationsbewegungen in Richtung Europa durch das Anheizen von Konflikten gehört zu Putins Kalkül. Wir stehen deshalb so eng an der Seite der Ukraine und unterstützen sie, solange sie uns braucht.
Sehne ich mich – gerade auch als Grüner – nach Frieden in der Ukraine? Selbstverständlich! Die Friedenspolitik bleibt ein wichtiger Anker in unserem Blick auf die Welt. Aber der Ruf nach Frieden darf nicht dogmatisch sein und er muss die Menschen bedenken, um die es hier geht. Wenn beispielsweise die Ukraine aufgefordert wird, jetzt Friedensgespräche mit Moskau zu führen oder den Konflikt „einzufrieren“, was wird dann mit den Menschen in den besetzten Gebieten der Ukraine? Hätten sie dann Frieden? Würde die Verschleppung von Kindern, die Ausübung sexualisierter Gewalt gegen Frauen, das Foltern der ukrainischen Männer enden? Könnten die Menschen dort frei entscheiden, wie sie leben wollen? Der Einzige, der derzeit für Frieden sorgen könnte, ist Putin selbst, indem er seine Truppen aus der Ukraine zurückzieht.
Womit Putin sicherlich nicht gerechnet hat: die Entschlossenheit und den Heroismus der Ukraine sowie die weitestgehende Geschlossenheit des Westens sowie großer Teile der Welt. Als der Krieg eskalierte, war ich gerade zu Gesprächen in Washington D.C. angekommen. Noch am 22. Februar 2022 sprach ich vor der VN-Generalversammlung in New York über die Lage in der Ukraine. Dort habe ich in meiner Rede deutlich gemacht, dass ein völkerrechtswidriger Angriff Russlands auf die Ukraine einen empfindlichen Schlag gegen die regelbasierte internationale Ordnung darstellen und damit Kernprinzipien der UN-Charta verletzen würde.
Im Dezember 2022 reiste ich erneut in die Ukraine und erlebte hautnah, wie sich Krieg in Europa tatsächlich anfühlt. Seit Beginn des Angriffskrieges Russlands auf die Ukraine steht Deutschland der Ukraine solidarisch an der Seite – militärisch, finanziell, humanitär und bei der Aufarbeitung von Kriegsverbrechen. Die Deutsch-Ukrainische Energiepartnerschaft für sofortige Nothilfe und nachhaltigen Wiederaufbau, das Reckoning Project zur Dokumentation, Verifizierung und Kodifizierung der Kriegsverbrechen in der Ukraine, die Ukraine Recovery Conference, die Kyjiwer Gespräche in Berlin sowie zahlreiche Treffen mit Besucher:innen aus der Ukraine und der Austausch mit vielen unserer Partner zur Lage: Die Geschlossenheit hinter der Ukraine aufrecht zu erhalten und zu erweitern, hat in den vergangenen Jahren einen großen Teil meiner Arbeit ausgemacht und zieht sich weiterhin wie ein roter Faden durch meinen Alltag.